Eine Woche Vietnam - Erfahrungen in Wort und Bild
14.02.2007

Wir fuhren weit bis hier her. Nach Vietnam. Einmal den halben Globus. Jetzt sind wir hier, mittlerweile eine Woche, und wir fahren immer weiter. Zuerst natürlich im Bus.
Er rauscht durch die StraßenHanois.Ich sitze am Fenster und versuche, dass Leben ,durch das ich fahre, festzuhalten.
Der Bus bringt uns fast überall hin. Zum Hotel und auch zu offiziellen Terminen. Im Goethe-Institut beispielsweise, der zensurfreien Insel dieser Stadt. Hier lauschen wir und sehen uns um. Ich sehe die Menschen, die Menschen sehen und versuche auch sie festzuhalten. Mit meinem erweiterten Auge aus Metal, Plastik und Glas, das seltsam fiebt, wenn es seine Schärfe sucht. Idyllisch ist es hier, hinter den Mauern eines alten Kolonialhauses. Inklusive Café-Goethe, dass mit farbenprächtigen Blumen geschmückt ist. Mittlerweile ein Geheimtipp für Diplomaten. Oberklasse und elitäres Denken überall. Weiter geht es.
Auch mal mit den eigenen Beinen, gehe ich durch ein Tor und sehe durch die Stäbe eine Frau, die Geld aus ihrem Hut zählt. Ich gebe ihr kein Geld, ich frage nicht wie es ihr geht. Ich fotografiere sie. Das Bild verwackelt leicht und für mich ist das viel passender als alles andere.
Wieder Bus und wieder offizielle Termine. Ein Fernsehsender diesmal. Über einen Tümpel, der nach Kloake duftet, hinter einem dicken Tor beginnt die Traumfabrik. Wir laufen durchs Studio und ich sehe die Menschen von der anderen Seite des Spiegels. Gut, dass es bunte Kleidung gibt, sonst wär das Bild nicht so schön.
Das mit den Fotos klappt mittlerweile ganz gut, egal was man, speziell ich, davon hält. Was nicht klappt ist die Sprache, damit bin ich aber nicht allein. Wildes Gestikulieren, fragende Blicke und überhöhte Preise sind die Folge. Warum sind wir nicht an die Ostsee gefahren?
Wieder im Bus und ich freue mich sehr, dass der Junge den ich im Vorbeifahren knipse so schön suchend in die Ferne blickt. Natürlich Absicht meinerseits, denn ich möchte illustrieren, wie diese Jugend symbolisch mit beiden Beinen auf dem Boden steht und eigene Perspektiven sucht und findet! Klar doch. Um auf andere Gedanken zu kommen, fotografiere ich zur Illustration des Life-Style Objekts Motorroller ein sehr schönes Exemplar inklusive coolem Vietnamesen mit Sonnenbrille. Der Kopf ist voll, der Bauch ist leer. Abend geht es in Touristenlokale, weil man doch mal gern Essen in einer Sprache bestellt, die man versteht. Auf dem Balkon, hat der aufs Sparen bedachte Fotograf, der kein Geld für ein Stativ ausgeben wollte, also ich, einen tollen Ersatz dafür gefunden und fotografiert Lichter die mit wahnsinniger Geschwindigkeit durch die Straßen der Stadt rauschen.
So viele Menschen, da muss auch mal Zeit sein, Objekte der Kunst zu betrachten. Zum Glück erklärt sich eine der zahlreichen Landesflaggen dazu bereit, sich für mich zu strecken, damit der Stern auch gut zur Geltung kommt. Ihre Freunde haben zwar keinen Stern, sind aber trotzdem hoch rot und ich ab mich sehr gefreut, dass sie gleich mitgemacht haben. Und was Ho Chi Mihn angeht, der macht in den meisten Fällen einen recht unbewegten Eindruck. Auf Bewegung ist er auch nicht mehr angewiesen, der er steht quasi überall. Selbst bei jeder finanziellen Transaktion ist er zugegen, denn es gibt keinen Geldschein ohne ihn.
Zwischen den ganzen Terminen kommt jetzt langsam auch eine Zeit, in der man zu Fuß unterwegs ist. Mit einer kleinen sympathischen Gruppen habe ich mir drei Stunden lang den Literaturtempel, die 1070 gegründete „erste Universität Vietnams“, angeschaut. So lange und gern müsste ich mal in meiner Uni sein. Auf dem Rückweg geht es durch das andere Hanoi, das sich doch deutlich von touristischen Zentren unterscheidet. Leben an der Schiene. Ich würde nicht sagen, dass das die Menschen großartig stört. Ich bin eben nur geprägt von der großen weißen Linie, die an jedem deutschen Bahnhof einen Meter Sicherheitsabstand zu Schienen vorschreibt. Und ich denke an „War Fotographer“, einen Film über James Nachtwey, der einen Indonesen fotografiert hat, dem so ein Leben an der Schiene Arm und Bein gekostet hat. Hier nur ein verdrießlich blickender alter Mann, der entnervt in meine Linse blickt. Verständlich. Ähnliches passiert mir am St. Josephs Dom, dem Zentrum der katholischen Gemeinde Hanois. Eine, diesmal weibliche, Vietnamesin schaut gedankenversunken in die Luft, begeistert sieht sie aber auch nicht aus. Die Kinder weiter hinten stört das weniger. Ist auch gut so. Erneut danke ich dem Doi Moi, dem wirtschaftlichen Prozess der Erneuerung, dafür, dass er so viele bunte Jugendkleidung nach Vietnam gebracht hat. Während ich das schreibe, kommt mir der wenig schöne Gedanke, dass ländliche Altersgenossen dieser Kinder die Sachen vielleicht hergestellt haben.
Ich rase durch diese Bilder, an denen so viele Emotionen und Gedanken meinerseits hängen, mit einem Tempo, das mit dem dieser Reise vergleichbar scheint. Auch die unscheinbare, schöne vietnamesische Betreuerin, die uns von Staatsseite zugestellt wurde um, ich zitiere eine Kollegin, „Aufpasswauwau“ zu spielen, soll hier auf einem Bild gewürdigt werden. Man kann diese Gruppe dafür lieben, weil immer welche in komplett gegensätzliche Richtungen blicken. Machen die das extra für mich. Toll. Nicht so toll, das Lotta irgendwie abgeschnitten wurde, aber zur Beruhigung von Freunden und Verwandten: Fotos zeigen keine Realität, nur Aus- und Abschnitte und deshalb ist Lotta im Original noch komplett.
Der Autofokus leistet ja wunderschöne Arbeit und ich danke meiner Kamera dafür, dass sie so einen wunderschönen Scharf/Unscharf-Kontrast schafft. Was ich auch gerne übe ist ein Foto im Gehen und aus der Hüfte. Eines von fünfzig Bildern ist was geworden und das Schulmädchen lächelt einfach toll. Idylle.
Dazu mein schwerster Kontrast. Das Kinderkrankenhaus. Sicherlich mit guter technischer Versorgung und mit das beste, was man in Vietnam finden kann. Aber als verwöhnter, arroganter Westler schocken mich die engen Räume, die Färbung der Wände und der Geruch doch schon. Vor allem wenn man wie eine Reisegruppe durch den Zoo geführt wird und die wilden Menschen durch die Scheibe betrachtet. Eine Gruppe von 20 Leuten und fast ausnahmslos jeder mit eine Kamera. Ich stecke meine weg und gehe hinaus. An mir vorbei läuft ein Vater mit seinem Kind. Er sagt: „Hello.“ Ich sag: „Hello.“ Er schaut mich an. Ich schaue zurück. Sein Kind schaut misstrauisch. Ich habe nie erfahren, was es hatte. Ich hole meine Kamera heraus. Ich frage, ob ich ein Bild machen kann. Mir ist immer noch schlecht, ich bin aufgeregt. Ich halte drauf. Ich drücke ab. Stehe auf und zeige ihm das Bild. Er ist verhalten fröhlich, das Kind weiterhin eher negativ auf mich eingestellt. Eine Weile blicken wir uns schweigend an, dann geht er weg. Erst später bekomme ich mit: Der Vater hatte die Augen geschlossen. Der Fotojournalist auf Probe, Sven Jaros, hat ein Motiv verschenkt. Sven Jaros hat ein Bild, das für ihn seine Beziehung zu dem abgebildeten Menschen symbolisiert. In einem Land, in welchem die Leute aus Höflichkeit nicht nein sagen, sondern nur langsam ja. In diesem Land verschließt man seine Augen um sehen zu können. In diesem Land sehen die Menschen mich mit Abneigung, weil ich Distanzen ignoriere. Weil ich die Augen schließe für eine natürliche Distanz, die ich in mir nahen Kulturen zeigen würde. Weil mir dieses Land so fremd und so wenig vertraut erscheint, droht alles zum Motiv zu werden. Wonach ich diese Motive aussuche, bestimmen oft Klischees, die ich mitbringe, oder dir mir von außen herangetragen wurden. Ich sehe als Fotograf ein, dass jedes Bild, das mir bisher ein Bild über ein Land ermöglicht hat, nur ein Bild des Blicks eines Menschen war.
Klingt logisch, ist aber so.
Nach soviel Nachdenken geht es erstmal schoppen. Besonders zu empfehlen ist die Don Xuan Markhalle. Ein hässlicher Bau, bei dem man auf zwei Geschossen aber grundlegend alles bekommt. Dicht an dicht die kleinen Buden und auch auf dem Boden wird fleißig gehandelt. Es ist bald Tetfest, Neujahr, und das ist hier die Party des Jahres. Hurra Vietnam! Doi Moi und der Anschluss an den Westen ist bezüglich des Warenkonsums schon längst erreicht.
Genug von der Stadt fürs erste, auch das Land soll in meinem Bildersturm bedacht werden. Bisher zwar wenig besucht, aber unglaublich schön und nochmal komplett anders.
Zum Angewöhnen gab es erstmal ein bisschen Vorstadt, während einer abendlichen Vernisage in einem traditionellen Pfahlhaus. Mit der Erkenntnis, dass Künstler die bisher aufgeschlossensten Vietnamesen sind, die ich kenne, spazierte ich über das Grundstück. Wieder kam eine Mauer meinem Sparvorhaben entgegen. Mit erneutem Stativersatz ein Bild geglückt, dass die unglaublich ruhige und abstrakt schöne Stimmung dieses Abends einfängt. Auch schon etwas ländlicher war ein kleines Straßen-Sit-In, das wir in der Nähe des Westsees veranstaltet haben. Wer immer es war, hat meiner Meinung nach einen Preis für die perfekte Anordnung des Blechgeschirrs verdient.
Dann ging es wirklich aufs Land. Und ,Klischee oder nicht, dieser Spitzhut ist die Wirklichkeit und auch das Wäschewaschen am Teich auch. Zum Glück hat irgendjemand diesen Busch vor meine Linste gestellt. So sieht das Bild gleich besser aus.
Dann noch die unendlich weiten Reisfelder und eine schon etwas abgeklärtere Anwendung der zwischenmenschlichen Kommunikation. Lächeln. Auf die Kamera zeigen. Bild machen. Dankend nicken. Und weiter gehen. Klappt immer besser.
Bin mit der ersten Vorauswahl durch und mittlerweile ist das Zimmer auch wieder belebt. Die Gedanken wenden sich nun der Gestaltung des Abends zu und die Kamera dient für heute nur noch als Datenträger. Zum nächsten Einsatz bereit.



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