Wäre ich länger in Vietnam geblieben, würde ich spätestens in diesen Minuten einen Kulturschock erleben. Der Regionalexpress fährt mich durch Oberfranken. Was ich sehe, sind leere, durch einen weißen Strich in zwei Spuren getrennte Straßen. Kaum ein Auto fährt schneller als erlaubt, nicht ein Hupen ertönt, weit und breit ist keine Honda zu sehen. Jeder Baum weiß, wo er zu wachsen hat, jedes Windrad dreht sich rhythmisch in die richtige Richtung. Die Landschaft ist so strukturiert, so linear – in 90° Winkeln grenzen die Ecken der Felder diese von den Wanderwegen ab.
Es scheint, als schliefe unser Land.
Zwei Tage haben die zwei Wochen es geschafft, mich meinen Alltag wenigstens etwas von außen betrachten zu lassen. Wie ein stiller Beobachter meiner Selbst trat ich ganz langsam, Schritt für Schritt wieder ein in meine alte Welt.
Nun bin ich zurück. Im Dauerlauf mit den Gedanken, dem Handeln, dem Leben. Vietnam? Ganz weit weg, sowohl räumlich als auch emotional.
Erlebnisse werden zu Erinnerungen, die verblassen. Wie Fotos will auch sie ich dunkeln lagern, damit sie nicht vergilben. Schon jetzt bin ich gescheitert.
Ich höre dieselbe Musik, die mich auch in Hanoi begleitete. Keimzeit singen ihren Klassiker „Flugzeuge“. Das unbeschwerte Gefühl, das ich dabei in Hanoi genoss, kommt nicht mehr auf. Es ist grau da draußen. Die Sonne gab sich gar nicht erst die Mühe, überhaupt hervorzukommen. Der Abend beginnt langsam, morgen geht es weiter.
Ich denke an den großen Balkon, von dem aus ich direkt auf den Frosch-Springbrunnen unseres Hotels sehen konnte. Im Hintergrund wehten drei rote Fahnen mit dem gelben Stern. Wenigstens Sterne am Himmel sehe ich wieder in Deutschland.
Leisegang singt von einem „Akkord ohne Grundton.“
Im Moment fühle auch ich mich ohne Grundton, doch bin dazu angehalten, neben Akkorden auch Oktaven zu greifen. Die Ereignisse der vergangenen Wochen habe ich weit nach hinten, in die linke Ecke meines Gehirns gepackt. Sie machen Frühlingsschlaf und ich wecke sie erst auf, wenn ich wieder zur Ruhe gefunden habe. Wieder hier, im ganz normal-verrückten Alltag. Willkommen daheim!