Zwischen Säuglingen und Gesundheitspolitik
23.03.2007

Es ist ein schmaler Gang, der durch die Frühchensatation des „National Hospital of Pediatrics” in Hanoi führt. Die Wände sind blass blau und an einigen Stellen blättert die Farbe ab.Es riecht nach Schwimmbad. Links und rechts befinden sich die Zimmer mit den Brutkästen, in denen die winzigen Säuglinge zwischen den Kabeln, Schläuchen und Apparaten liegen. Eine Atemmaske fixiert den Tubus in der Nase, über den Mund führt eine Sonde in den Magen, um die kleinen Patienten zu ernähren. Am Brustkorb kleben Elektroden, die die wichtigsten Körperfunktionen überwachen.
Auf der Frühchenstation des vietnamesischen Kinderkrankenhauses ist immer Hochbetrieb. Hier liegen über hundert Säuglinge auf engstem Raum. Es fehlt an Brutkästen und einige Babies teilen sich zu Zweit einen. Wie Zwillinge liegen sie in den Glashäusern nebeneinander. “Im Durchschnitt sind die Säuglinge 8 Tage hier” erzählt Schwester Le Thi Hoa Binh. Sie arbeitet seit sechzehn Jahren im „National Hospital of Pediatrics". Das Kinderkrankenhaus wurde 1969 gegründet und ist leitendes Institut im Bereich der Pädiatrie in Vietnam. „Unsere Hoffnung ist, diese führende Rolle zu verwenden, um die Kindersterblichkeit weiter zu veringern und die Grundversorgung in Zukunft zu verbessern.”, berichtet die Schwester in einem sehr guten Englisch. Es schwingt ein wenig stolz in der Stimme mit. Zu recht, denn Vietnam hat im Bereich Gesundheit in den letzten zehn Jahren beeindruckende Fortschritte erzielt und ist damit anderen Entwicklungsländern weit voraus. Durch ausgedehnte Immunisierungsprogramme konnte beispielsweise die Kindersterblichkeitsrate bei Säuglingen und Kindern unter fünf Jahren seit 1993 von rund 60 und 50 Prozent auf rund 20 und 30 Prozent verringert werden.
Es ist anzunehmen, dass das Wirtschaftswachstum und die Verbesserung des Gesundheitswesen positiv korrelieren. Seit 1989 ist der Doi Moi -Erneuerung- Leitgedanke der vietnamesischen Wirtschaftspolitik. Durch eine schrittweise Öffnung und Liberalisierung wurden seither bemerkenswerte wirtschaftliche Erfolge erzielt. Das Gesundheitssystem in Vietnam befindet sich, wie die Wirtschaft, in einer Zeit der Umwandlung. Ein Wandel, der der vietnamesischen Bevölkerung zu einer verbesserten Gesundheit und einem Gesundheitsbewusstsein verhelfen soll.
„Neben den Immunisierungsprogramme zum Schutz vor Tetanus bei Neugeborenen und Müttern legen wir viel Wert auf eine gute Mutterschaftsvorsore und Geburtsbegleitung.”, berichtet Dr. Khu Thi Khánh Dung. Sie ist die Abteilungsleiterin der Früchchenstation im „National Hospital of Pediatrics“. Die vietnamesische Ärztin steht vor einem Plakat, das neben dem Aufenthaltsraum der Station angebracht ist. Zu sehen ist eine junge Mutter, die ihr Baby stillt, darunter ein Slogan in vietnamesischer Schrift. Es ist eine Geburtshilfe-Kampagne. „Geburtsbegleitung ist wichtig für die Gesundheit der Mütter und um die Wahrscheinlichkeit zu verringern, dass ihre Babys mit niedrigen Geburtsgewichten auf die Welt kommen.”, erklärt Dr. Dung weiter. So können durch Geburtshilfe etwa drei von vier Todesfällen bei Säuglingen vermieden werden. Die meisten Frauen, die ihre Kinder im Hanoier Krankenhaus zur Welt bringen, hatten eine gute Betreuung während der Schwangerschaft. Doch das ist nicht der Regelfall. Die mangelde Aufklärung ist ein Problem. „Viele vietnamesische Frauen sind nur unzureichend aufgeklärt und nehmen deshalb die Betreuung durch eine Hebamme oder einen Arzt nicht wahr.“, berichtet Dr. Dung. Ähnlich verhält es sich mit dem Gebrauch von Verhütungsmitteln, die nicht oder nicht richtig verwendet werden. So verzeichnet Vietnam mit durchschnittlich 2,5 Schwangerschaftsanbrüchen pro Frau weltweit eine der höchsten Abtreibungsraten.
Ein anderes Problem bietet die regionale und soziale Disparität zwischen Land und Stadtbevölkerung. „Wir können auf dem Land nicht die selbe Versorgung bieten, wie in der Stadt, denn es fehlt dort an moderner Ausstattung.”, erklärt Dr. Dung. Die finanziellen Ressourcen für den Aufbau des Gesundheitssystems sind, trotz Doi Moi, knapp. Vor allem der ärmere Teil der Bevölkerung ist gesundheitlichen Risiken ausgesetzt. Ein guter Ansatz zur Unterstüzung der ärmeren Bevölkerung ist die kostenlose Behandlung von Kindern unter 6 Jahren. Doch das Ungleichgewicht in der Gesundheit der Bevölkerung bleibt ein ernstzunehmendes Problem.
Auf der Frühchensation des Hanoier Kinderkrankenhauses sind junge Schwester mit einem Säugling auf dem Arm zu beobachten. Behutsam beatmen sie die kleinen Patienten mit sogenannten Handbags. Das „National Hospital of Pediatrics“ zählt zu den modernsten Krankenhäusern in Vietnam, trotzdem ist es mit europäischen Standards nicht zu vergleichen. „In den letzten Jahren wurden viele neue medizinische Geräte angeschafft, aber es fehlt an ausreichender Menge, wie zum Beispiel bei den Beatmungsgeräten, die eine Beatmung von Neugeborenen mit konstanter Sauerstoffzufuhr ermöglichen.”, bedauert Dr. Dung. Die Modernisierung des Gesundheitssystems bleibt eine große Herausforderung für die Gesundheitspolitik. Um diese zu bewältigen muss Vietnam sein Wissen in Sachen Gesundheit auf die Nöte und Nachfrage der Bevölkerung anpassen. Noch fehlt es an einem starken und großen Kommunikations- und Wissensnetz und an wesentlichen Gesundheitsreformen und Gesetzen. Doch das Land hat sich auf den richtigen Weg gemacht.


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